Fragen an die Intendantin Insa Pijanka
Fragen: Melanie Unger
Respondentin: Insa Pijanka
Warum ist Schostakowitsch dieses Jahr so präsent im Programm der Philharmonie?
Extrem präsent ist er (leider) gar nicht. Es sind zwei Konzertprogramme, die wir mit Werken von Schostakowitsch durchgeführt haben. Für mich ist Schostakowitsch einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Werke haben eine außergewöhnliche musikalische Qualität, die z.B. in der Instrumentationskunst einem Richard Strauss in nichts nachstehen. Als einer der wenigen Komponisten hat er in fast allen Genres von der Kammermusik, über Sinfonien und Opern bis hin zur Unterhaltungsmusik Werke verfasst. Zudem verdeutlicht Schostakowitsch in besonderem Maße welchen gesellschaftlichen Anspruch und Wert Musik erfüllen kann. Sein Leben – und seine Werke – sind ein Spiegel der wechselhaften Geschichte des 20. Jahrhunderts im Allgemeinen und der Geschichte der Sowjetunion im Besonderen. Kein Komponist des 20. Jahrhunderts hat ein Œuvre hinterlassen, das so stark von Brüchen gezeichnet ist. Es ohne sein historisches Umfeld zu betrachten ist unmöglich Es wurzelt im Grauen des Bürgerkrieges, in der Angst, im Großen Terror des Stalinismus und in der Vernichtungserfahrung des Zweiten Weltkrieges. Schostakowitsch ist der musikalische Chronist seiner Epoche, wie in einem Brennglas verdichten sich in seinem Werk Grauen und Grandezza des 20. Jahrhunderts. Musik von enormer Kraft und gleichzeitig großer Verletzlichkeit.
Wird seine subtile Zeitkritik als Referenz für aktuelle Gesellschafts-/Politikkritik genutzt?
Indirekt natürlich schon, auch in begleitenden Veranstaltungen wie Einführungen, Programmhefttexten oder dem moderierten GENIAL mit Auszügen aus Schostakowitschs 10. Sinfonie wurden durchaus Bezüge zu unserer Zeit hergestellt. Diese Werke sind ein wichtiger Beitrag zur geschichtlichen Reflexion, welche auch für unsere heutigen Entscheidungen unverzichtbar ist. Wenn ich mir die aktuellen Tendenzen in unserer Politik und Gesellschaft anschauen zeigen sich schon Parallelen zu den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und gerade die Kunst dieser Zeit war sehr sensibel für die negativen Tendenzen in der Gesellschaft. Hier einen Blick zurück zu wagen ist auf jeden Fall ratsam. Zudem macht gerade Schostakowitschs Musik auch emotional die grausamen Exzesse des 20. Jahrhunderts mit seinen zwei Weltkriegen und dem Terror der beiden großen Diktaturen nachvollziehbar und kann und sollte eine Lehre sein.
Und wie kam die Auswahl des Konzerts "Alles Walzer" zustande, bei der Schostakowitschs Operette "Moskau, Tscherjomuschki" neben den Werken von Strauss und Korngold aufgeführt werden?
Grundsätzlich entsteht ein Konzertprogramm in Abstimmung zwischen dem jeweiligen Dirigenten – hier Markus Huber – und dem Intendanten, also mir in diesem Fall. Ich bin zudem noch Dramaturgin und habe daher gerne starke inhaltliche Bezüge zwischen den Werken bzw. als Klammer eines Programms. Ausgangspunkt des Programmes zu „Alles Walzer“ war die Idee unseren neuen Paukensatz mal ins Zentrum eines Konzertes zu stellen – ein Instrument, für welches es wenig solistische Literatur gibt. Eines der wenigen Werke ist Richard Strauss‘ „Burleske“ für Solo-Klavier und eben Solo-Pauke. Mit diesem Werk haben wir angefangen zu denken. Der spielerische und ironische Charakter des Stücks hat dann zur Auswahl der weiteren Werke geführt. Daher resultiert der zweite Gedanke des Programms – eine Brechung dessen, was Unterhaltungsmusik eigentlich ist. Der Titel „Alles Walzer“ hat den Bezug im Inbegriff der Unterhaltungsmusik in Wien um die Jahrhundertwende. Es war der Slogan – würde man heute sagen – der Kapelle von Johann Strauss jr., dem Walzerkönig und ist bis heute der Auftakt des Wiener Opernballs. Gerade der Walzer war aber immer mehr als reine Unterhaltungsmusik – auch bei Johann Strauss jr. Die Walzer haben immer auch etwas melancholisches, ironisches und sind gerade im Kontext der Wiener Moderne Ausdruck einer morbiden, eigentlich im vergehen befindlichen Gesellschaft. Diese Ambivalenz greifen wir mit dem Programm auf. Z.B. verwendet Richard Wagner in seinem Rosenkavalier Walzermelodien um genau diese untergehende Gesellschaft zu charakterisieren. Gleichzeitig ist es ein wunderschön leichtes, unterhaltendes Programm – aber mit Anspruch, sowohl inhaltlich als auch vom musikalischen Anspruch (das Programm ist ziemlich schwer).